Grenzstein Nummer 71
Matthias Dreyer Oktober 2023
Feiner Pfälzer Sand, 200 Jahre alt, lag auf dem verschollenen Grenzstein 71 im Kleyental. Gefunden und erfolgreich freigelegt wurde er am 10. Oktober 2023 bei einer „Grabung“ des Clubs Sellemols (Historienfreunde Maikammer-Alsterweiler) unter Leitung von Christian Boll. Wie gelang es, den bisher als „abgegangen“ bezeichneten Grenzstein zu finden?
Lange Zeit konnte niemand ahnen, dass es für den Grenzstein 71 tatsächlich eine detaillierte Lagebeschreibung gibt. Denn sie ist auf den Seiten verzeichnet, die in der leider unvollständigen Grenzbeschreibung der Chronik Maikammer Alsterweiler (1986) mit dem Teilungsvertrag der Haingeraide (S. 398 ff.) fehlen. Der Club Sellemols (Historienfreunde Maikammer-Alsterweiler) hatte umfangreiche Recherchen angestellt, diese Lücke zu schließen, und es ist ihm gelungen, im Landesarchiv Speyer den Originalteilungsakt aus dem Jahr 1822 aufzuspüren. Bei den Unterlagen zur Haingeraide in der Abteilung für die Ortsgemeinde Rhodt stieß der Club auf den unversehrten, vollständigen Teilungsakt in Druckform.
Bei dieser Recherche wurde auch der bisher schmerzlich vermisste Originalteilungsplan (in farbiger Ausfertigung) gefunden.Der detailreiche Katasterplan war das entscheidende Teil des Puzzles:
Bild: Lage- und Vermessungsplan der 5te HainGeraideWaldung des Jahres 1822 mit den Grenzsteinen und den Abständen zwischen den Steinen (Freigabe erteilt durch Landesarchiv Speyer, Bestand W 1 Nummer 3089.).
Auf der Karte ist jeder Grenzstein dargestellt und mit der laufenden Nummer versehen. Zudem ist der Abstand vom vorherigen Stein und zum nächsten Stein sehr deutlich erkennbar. Aus der Karte ging hervor: Der Grenzstein 71 musste 38 Meter vom Stein 70 entfernt liegen. Und der Stein Nummer 70 war ja bekannt (vollständige Abbildung hier).
Im Teilungsvertrag stand der folgende Text: „von hier über den Bergrücken des ersten Langenkopfs und Felsen, der Nro. ein und siebenzig ist; von hier das Kleien-Thal aufwärts ein hundert fünf und neunzig metres fünf Decimetres zum Stein Nro. fünf und siebenzig;“
Also musste sich die Suche auf einen Felsen konzentrieren, nicht nach einem aufrechtstehenden Grenzstein. Christian Boll (ausgebildeter Vermessungsingenieur) und Matthias Dreyer machten es sich zur Aufgabe, diesen Felsen einzumessen. Ansatzpunkt war der Stein Nummer 70 und seine „Weisung“. Die Weisung ist auf dem Kopf eines Steines eingeschlagen und gibt den Grenzverlauf wieder. Außerdem war auf der Katasterkarte von 1822 abzulesen, dass der oben erwähnte Felsen am Zusammenfluss zweier Gewässer liegen sollte. Erfreulicherweise gelang es recht schnell, diesen Felsen auszumachen. Nach zweistündiger „Schürfarbeit“ im romantischen Kleyental gelang es Boll und Dreyer am 10.Oktober 2023 endlich, den verschollenen Stein aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken.
Die Inschrift auf dem Felsen zeigt zwei Kartuschen. Die Seite von Maikammer-Alsterweiler mit der Jahreszahl 1822 und den typischen Siegeln M K für Maikammer. Dazwischen ist das Gerichtssiegel von Maikammer zu erkennen (aufsteigender Pfeil mit Querstrich am Fuß). Unterhalb dieser Kartusche ist die Zahl 71 eingemeißelt. Sie steht für die laufende Nummer im Grenzverlauf für Maikammer-Alsterweiler. Im Bild oberhalb der Kartusche von Maikammer ist die Kartusche für Sankt Martin zu sehen. Auch sie trägt die typischen Merkmale für eine Grenzsteinauszeichnung, nämlich S M für Sankt Martin und dazwischen das Hufeisen. Oberhalb der Kartusche ist die Zahl 116 in formschöner Schreibweise ii6 eingeschlagen. In der Kartusche von Sankt Martin ist ein Trennstrich erkennbar. Die Bedeutung ist unklar. Es könnte sich um einen Fehler des Steinmetzes handeln oder um einen Hinweis auf den Grenzverlauf.
Bild: Grenzstein mit der laufenden Nummer 71 (unten rechts) für Maikammer-Alsterweiler, ein erdverbundener Felsen.
Nach der Freilegung und der genauen Erfassung wurde der Felsen wieder mit Sand abgedeckt. Die formschönen Inschriften sollen nicht der Witterung ausgesetzt und auch nach weiteren 200 Jahren noch erkennbar sein.
Bis heute hat der Club Sellemols (Historienfreunde Maikammer-Alsterweiler) 8 derartig gestaltete Grenzzeichen aufgefunden. In der Regel liegen die Kartuschen so, dass der Grenzverlauf in der Mitte anzunehmen ist. Beim hier vorliegenden Grenzfelsen 71 wird der Grenzverlauf einerseits durch die schräg gestellte 71 (so verläuft die Grenze vom Stein 70 kommend) und den unteren Rand der Kartusche dargestellt. Sankt Martin liegt also links und oberhalb der Beschriftung.
Sollten Sie Kenntnisse zu Grenzsteinen in Maikammer-Alsterweiler haben, wenden Sie sich bitte an Matthias Dreyer, 06321 950030, dreyer.mats@t-online.de oder den Club Sellemols (Historienfreunde Maikammer-Alsterweiler) – unser Stammtisch findet jeden zweiten Mittwoch im Monat in der Steinmühle, 19:00 Uhr statt. Jeder ist willkommen!