Maria K. Frankmann
Beim Stammtisch Treffen des Club Sellemols im August 2023 brachte Christian Boll einen alter Zeitungsausschnitt des „General-Anzeigers“ vom 5.November 1938 mit! Darin wurde über Fräulein Katharina Frankmann als „Matrone der Pfalz“ berichtet, die am Sonntag 6.November 1938 100 Jahre alt wurde! Darin stand:
100 Jahre und noch rüstig
Die Matrone der Pfalz feiert Geburtstag
Fräulein Frankmann die älteste Pfälzerin wird morgen 100 Jahre alt
Morgen, den 6. November, vollendet im St. Vinzentius-Krankenhaus in Speyer, Fräulein Katharina F r a n k m a n n ihr 101. (Druckfehler! Redaktion) Lebensjahr. Schon bei ihrem 100. Geburtstag (Druckfehler! Redaktion) im letzten Jahr haben wir Ihr eine Besuch abgestattet und damals die Hoffnung ausgesprochen, daß sie auch noch gesund die Schwelle zum zweiten Jahrhundert überschreiten möge. Das geschieht nun morgen. Wenn Fräulein Frankmann nun auch in dem letzten Jahr etwas „anfälliger“ geworden ist, so verfügt sie immer noch über einen gesunden Humor und hat nur einen Kummer. Sie will morgen nicht die vielen Gratulanten empfangen und lieber in ihre Heimat Maikammer „gehen“. Beifolgend geben wir eine Schilderung eines Besuchs bei der Matrone der Pfalz.
Lautlos fallen die Blätter im Garten des St. Vinzentius-Krankenhaus in Speyer. Wie ein bunter Teppich bedecken sie bereits den halbverblaßten Rasen, über dem ein seltenes Farbenspiel leuchtet. Bäume gleich einem letzten Jubelgeläut stehen. Gelb, braun und rot klingt ihre Sinfonie, mischt sie sich mit dem Klang der ehernen Glocke vom nahen Kloster. „St. Magdalena“.
Hier inmitten dieser Idylle, bei den barmherzigen Schwestern von Mallersdorf lebt die älteste Pfälzerin, feiert sie morgen in aller Bescheidenheit ihren 100. Geburtstag, hoch oben in der Sperlingsluft, in einem der Seitenflügel. Langsam steigen wir im Dämmer der breiten Treppe hoch. Die Oberin selbst führt uns, meldet unseren Besuch. Sachte treten wir in das saubere Stübchen, in dem die alte Matrone nun schon 28 Jahre, von den Schwestern liebevoll umsorgt und betreut lebt. Es dauert nicht lange und wir sind schon mitten im Gespräch, erfahren wir, daß sie Fräulein Katharina F r a n k m a n n heißt und an der rebenumrankten Haardt ihre Wiege gestanden hat.
Dort im schmucken Weinort Maikammer ist sie als jüngstes von sieben Geschwistern am 6. November 1838 geboren worden. Wir können es kaum fassen und glauben. Dann aber eilen unsere Gedanken über das stille zufriedene Gesicht der alten Matrone zurück in die ferne Vergangenheit.
Und mit unverfälschtem Maikammerer Dialekt spinnt sie selbst am Faden der Erinnerung, erzählt sie aus ihrer Kindheit fernen Tagen. Und es klingt wie eine uralte Mär, wenn sie erzählt, daß zu „ihrer“ Zeit noch der Kienspan in der Küche gebrannt hat. In seinem flackernden Schein hat man gekocht, gespeist, bis die Petroliumlampe dann ihren Einzug gehalten hat. Wie ein Weltwunder wurde diese damals bestaunt und begrüßt, besonders von den Spinnerinnen in der winterlichen Kunkelstube (=Spinnstube/Redation). Auch Fräulein Frankmann war am Spinnrad gesessen und hat die Haspel gedreht. Ihre Augen leuchten, als sie von jenen seligen Stunden spricht.
Denn sie war ein lebenslustiges Ding und hat Frohsinn und Fröhlichkeit gepflegt und geliebt. Warum sie nicht geheiratet hat? „An Freiern hat mer’s nit g’fehlt“, meint sie, mit einem verschmitzten Lächeln um ihren faltenreichen Mund. „Awer ich wollt‘ mei Leit nit allä losse. Ich un mei Schwester, die vor einige Johr hier bei mir gestorbwe is, sinn dann dähem gebliwe bei Vatter un Mutter.“ 93 beziehungsweise 97 Johr sinn die alt geworre, und dobei haw ich mei Vatter in all dere lange Zeit no nit emol mit em Rausch g’sehe.“ Das klingt uns für einen Winzer an der Haardt fast unglaublich. Und doch scheint es so, denn auch Fräulein Frankmann, das 100jährige Winzermädel von Maikammer hat in ihrem ganzen Leben nur selten Wein getrunken. Es ging ihr wie der Mutter, die den Wein ja nicht einmal hat riechen können.
Die Gedanken setzen jetzt plötzlich aus und Fräulein Frankmann sinnt still vor sich hin. Dann aber sprudelt sie wieder los und erzählt von der Freischarlenzeit, von König Ludwig I., den sie so gut gekannt hat wie ihren großen Landsmann, den General Hartmann. „Sei Standbild steht noch uff dem Marktplatz von Mäkäm“. Ob sie schon lange nicht mehr dort an der Haardt geweilt hat? „Ne“, sagt sie mit einem Anflug von tiefer Wehmut. „So gern ich Mäkäm und Oggeriche, wo ich langi Zeit bei meiner Schweschter gewohnt hab, nochmol sehe deht, ich glab de Abschied kennt ich nit mehr überstehe. Do bleib ich liewer hier.“ Und dann kommt sie auf den Krieg von 1866, 1870/71 zu sprechen, als wäre das erst gestern gewesen. Und während sie so in der Vergangenheit gramt (Schade, dass diese Erzählungen nicht in dem Bericht wiedergegeben wurden! Redaktion), ihre Augen dann und wann nochmals aufleuchten, bannen wir ihren Blick mit dem Stift aufs Papier, halten wir die
Physiognomie einer 100jährigen fest. Als sie hört, was wir damit beabsichtigen, wird sie ungehalten. „Ne, ne des will ich nit, ich will nit in die Zeitung“. Sie ist überhaupt nicht für die Neuerungen der Wissenschaft und Technik. So benützt sie auch nie den elektrischen Fahrstuhl, sondern steigt zu Fuß die Treppe ab und auf, manchmal schon morgens um 6 Uhr, zur heiligen Messe in die Kapelle, wenn sie nicht verschlafen hat; denn trotz ihrer 100 Lenze, verfügt sie noch immer über eine gesunde Nachtruhe, hat sie mit Ausnahme der nun schwindenden Sehkraft noch keine der bekannten Altersbeschwerden. Sie war überhaupt noch nicht erstlich krank, hat auch noch keinen Arzt gebraucht. „Nor enmol haw‘ ich mer en Zahn ziehe lasse in Neistadt. Zu Fuß bin ich domols hinüwer gewandert, denn en Zug hots domols in Mäkäm noch nit gewe“, mein sei wieder treu und bieder. Inzwischen war ihr Bild fertiggestellt, war auch die Zeit zum Abschied von der ältesten Matrone der Pfalz gekommen. Noch einmal schauen wir über das faltenreiche Gesicht.
Ruhe und Frieden spiegelt es wider, denn die Mallersdorfer Schwestern betreuen die Hundertjährige in liebevoller Weise, trotzdem ihr Einstand längst verbraucht und schon lange keine Unterstützung an die alte Matrone mehr bezahlt wird. „Sie gehört jetzt zu uns“, sagt die Oberin beim Abschied. „Seit 28 Jahren ist sie nicht mehr aus unserem Haus gekommen, ihr letzte Gang führt auf den Friedhof. Und jetzt ergreift uns so recht die Ehrfurcht vor dem tiefen Geheimnis das diese Alte in ihrem Herzen trägt, vor dem Geheimnis, mit dem sie nun vor der Schwelle einer kleinen Ewigkeit steht. Wie heißt doch ein alter Spruch? „70 Jahr ein Greis, 80 Jahr schneeweiß, 90 Jahr gebückt, zum Tod 100 Jahre Gnad von Gott!“ Mit diesen Worten sagen wir der Patriarchin der Pfalz Lebewohl, verlassen wir wieder das St. Vinzentius-Krankenhaus.
In seinem Garten rieseln noch immer gelbe, braune und rote Blätter nieder, klingt die Sinfonie des Herbstes vom ewigen Werden und Vergehen.
D.O.E. (Dr. Otto Eichenlaub, L’hafen, / Verfasser)
Fräulein Frankmann starb laut OFG 1940 in Speyer, ohne Angabe eines genauen Datums. Ihre Eltern waren Friedrich Frankmann geb. 1794 in Alsterweiler, er wurde von Pfarrer Schleiffelder aus Grevenhausen getauft., er starb 97jährig 1883, als Katharina 44 Jahre alt war, ihr Vater war Glaser und Winzer. Ihre Mutter war Maria Anna Klara Koch, 1797 ebenfalls in Alsterweiler geboren. Sie wurde 93 Jahre und starb 1894, Katharina war damals 55 Jahre alt. Die Eltern bewohnten ab 1822 mit den Kindern die Häuser in der Weinstraße Süd 25 und ab 1838 in der Weinstraße Süd 18. Katharina hatte 6 ältere Geschwister, 2 Schwestern und 3 Brüder. Ihre 3 Jahre ältere Schwester Klara blieb ledig und wurde von Katharina in dem Zeitungsartikel erwähnt, sie kümmerten sich beide um die Eltern solange diese lebten. Die älteste Schwester Anna Maria Frankmann geb. 1823, war schon 14 Jahre alt, als Katharina geboren wurde ! Sie heiratete 1858 in Maikammer den Schullehrer Johannes Brittner der in Oberlustadt geboren war. Für ihn war es die 2. Ehe, nachdem seine 1. Frau Katharina Schmitt, ebenfalls aus aus Maikammer stammend, 1 Jahr zuvor 1857 kinderlos verstorben war. Nach Katharinas Aussage lebte die Schwester wohl in Oggersheim, vermutlich bis zu ihrem Tod, dies könnte ca 1911 gewesen sein, denn ab da muss Fräulein Katharina Frankmann dann wohl zu den Mallersdorfer Schwestern nach Speyer gezogen sein.
(Maria Katharina Frankmann, OFB <1634>)
Fotos: Club Sellemols, 2023.
13.August 2023
Heike Scholhölter