Club Sellemols (Historienfreunde Maikammer-Alsterweiler)

(Historienfreunde Maikammer-Alsterweiler) gegründet 2014

Club Sellemols (Historienfreunde Maikammer-Alsterweiler)

Weinstraße Nord 11, Geschäft von Carl Leonhardt: „Buch- und Musikalien-Handlung, Geschenkartikel“

Heike Scholhölter, Dezember 2023

Ca. um 1916. Weinstraße Nord 11, im Torbogen seines Geschäfts steht Carl Leonhardt.
Im Fenster oben seine Frau Anna mit Tochter Gertrud. Im Fenster daneben Sohn Curt.
ca 1930,
„Buch- und Musikalien- Handlung, Geschenkartikel“ Aus dem Fenster schaut Anna Elisabeth „Liesel“ Leonhardt.

1902: dieses Sterbebild von Maria Gerlach aus Maikammer ist ein frühes Druckwerk aus dem Geschäft von Carl Leonhardt. Es stammt aus der Zeit, bevor sich das Geschäft in der Weinstraße Nord 11. befand!

Maria war das 3. Kind von Maria u. Friedrich Gerlach <1889> die in der (heutigen) Weinstraße Nord 9 wohnten (später die unmittelbare Nachbarschaft des Geschäfts Carl Leonhardt!). Maria starb im Alter von 8 Jahren, ihre 4 Geschwister waren zu diesem Zeitpunkt 11, 10, 6 und 5 Jahre alt.

Ein weiteres frühes Produkt aus Carl Leonhardts Geschäft ist diese Postkarte aus dem Jahre 1903 (Poststempel). Auf der Vorderseite zeigt sie die damalige Bahnhofstraße (heute die Ansicht rechts auf das Anwesen Weinstraße Nord 43). Sie wurde geschrieben von Louise Leonhardt aus Maikammer an Frau Claire Reicharts in Würzburg. Vielleicht war Luise Carl’s Schwester, sie war 1880 geboren und 5 Jahre jünger als Carl. Sie heiratete 1906 in Maikammer.

OBEN: „Letzten Sommer war ich wieder bei meinem Onkel in Bergtheim. Wir machten sehr oft Ausflüge nach dem schönen Würzburg, Frankenwarte, Köppele [Festung bei Würzburg], Zell a/Mo etc.“
UNTEN: „Liebste Claire! Wie gehts Ihnen denn? Ich habe ja schon riesig lange schon nichts mehr von Ihnen gehört. Ist ´s Männel immer noch recht brav? Haben Sie noch nichts Kleines? Schreiben Sie mal wieder, Ja? Ihre L(uise) Leonhardt“
LINKS QUER: „Abs. Louise Leonhardt Maikammer (Pfalz)“.
ANSCHRIFTENFELD „Wohlgeboren Frau Claire Reichardts Postexpeditionsgattin Eltmann (durchgestrichen) Würzburg (handschriftlich) Unterfranken Fall’s versetzt, Bitte nachzusenden.“
Links am Rand: „Verlag von Carl Leonhardt, Maikammer“

Im Jahre 1905 heirateten Carl Leonhardt und Anna Maria Hörner. Die Eheleute sind in die Weinstraße Nord 11 (früher: Herrengasse) eingezogen. Das Geschäft findet man unter „Buch- und Schreibwarenhandlung“ 1908 im Neustadter Adressbuch, Seite 408: „Leonhardt K., Herrengasse 500″. Carl Leonhardt nannte es : „Buch- und Musikalien-Handlung, Geschenkartikel“. Im selben Adressbuch Neustadts auf Seite 402 warb er in einer Anzeige mit folgendem Wortlaut: „Buchhandlung, Schreibmaterialien, Buchbinderei, Einrahmung von Bildern. Zigarren und Zigaretten.“ 6 Jahre später kamen noch „Inseraten-Annahme für den Stadt-und Dorf-Anzeiger, Pfälzischer Kurier Neustadt Haardt“ hinzu, siehe Adressbuch Neustadt1914/15, Seite 452.

Carl Leonhardt’s Enkelin Helga Fell (*1941, Tochter von Anna Elisabeth „Liesel“ Leonhardt) erinnert sich 2023 im Interview mit Heike Scholhölter vom Club Sellemols:

„Das Haus war ein ehemaliges Winzeranwesen mit Innenhof, in meinen Unterlagen gibt es noch Urkunden zum Haus bis in die Zeit Napoleons zurück!

Meine Mutter erzählte mir, dass Carl Leonhardt immer mal wieder auch wandernde Gesellen hatte, die bei ihm arbeiteten. Er selbst war wohl nicht ganz so der Eifrigste, so dass er Aufträge entgegen genommen hatte und dann gewartet hat, bis der nächste Geselle kam, der dann die Arbeit verrichten musste. Das traue ich ihm auch zu !“

„Mit den Postkarten war das so: die Großeltern haben eine bestimmte Auswahl bekommen u. sehr viele Vorräte davon genommen, je mehr Abnahme um so günstiger der Einzelpreis. Später hat die ganze Familie die Postkarten verwendet, wenn Nachrichten geschrieben wurden, weil soviel davon vorhanden waren!

Hier eine dieser Karten, sie zeigt das Fachwerkhaus in Maikammer Ecke St.Martiner/Weiherstraße. Vermutlich wurde die Karte im Jahr 1934 oder 1935 verschickt, denn Liesel Leonhardt wird noch mit Mädchennamen angeschrieben (sie heiratete 1935), wohnte aber schon in Stuttgart-Heumaden (Lederberg), so auch später mit ihrem 1. Ehemann. Ihr Bruder Curt beschrieb die Vorderseite der Karte, er kam im April 1934 zurück nach Maikammer, nachdem er 5 Jahre in Kanada und USA gelebt hatte.

Curt Leonhardt schreibt seiner Schwester Liesel:
„Lb. Liesel! Sonntag fahre ich weg. Kirchweih ist rum. St. Martiner Kerwe ist morgen noch. – Leider kam ich nicht nach Stuttgart. Herzl. Grüsse Curt“.
Liesels Mutter schreibt ihr auf der Rückseite:
“ Liebe Liesel! Gestern Deinen Brief erhalten. Die gewünschten Bücher gehen in den nächsten Tagen ab. Morgen reißt Curt nach Saarbrücken. Schreibe Dir nächstens mehr. Empfange herzlichen Gruß Mutter
Fam. Weiß? bitte ich zu grüßen.
Herzl. Gruß Vater / d. Foto schicke ich mit [du wirst staunen schön???]
Gruß Fränzel B. (Liesel’s Freundin Franziska Buchenberger).“

In der Mitte der Karte: „Carl Leonhardt, Buchhandlg. Maikammer“.
1939, Carl Leonhardt in seinem Geschäft. Beschriftet von seiner Tochter Anna Elisabeth „Liesel“ in ihrem Fotoalbum mit:
„Papierhaus Leonhardt – Vater als allgewaltiger Chef!“
1939, Carl Leonhardt’s Tochter Gertrud im Geschäft. Von ihrer Schwester Anna Elisabeth“Liesel“ in ihrem Fotoalbum beschriftet mit:
„Fräulein Direktrise !“

Im Hof, am Vorplatz zum Geschäft waren Schaukästen, die wurden immer passend zur Jahreszeit dekoriert, in späteren Jahren hat das meistens meine Mutter gemacht.

Gegenüber von Carl’s Geschäft ein paar Häuser weiter unten hatte der „Kappenmacher“ Gerst sein Geschäft: der hat fotografiert, damals war das noch ein erheblicher Aufwand, mit den alten Kästen auf dem Stativ und einem Tuch über dem Kopf, wegen der Empfindlichkeit der Glasplatten. Seine Schwester hat ihm die Utensilien immer hinterher getragen. Und mir als kleines Kind gedenkt es, dass sein Geschäft zwei Schaufenster hatte, da waren immer verstaubte Hüte drin und die Katze! Die Katze lag dann oft mal auf den Hüten oder nebendran, also es war nicht sooo arg sauber dort!

Bei uns im Laden auf den Rosenkränzen lag auch oft unsere Katze und hat so die Rosenkränze „abgestaubt“. Wir haben auch Weinrömer verkauft, solche Andenken, die Katze hat aber niemals, wenn sie dazwischen saß, etwas umgeschmissen. Aber WIR hatten einen Zulauf dadurch an den Schaufenstern, das glaubt man nicht! Wir wussten genau: wenn viele Leute vorm Schaufenster standen, saß die Katze wieder drin !“

Der Laden war Sonntagmorgens immer auf, denn die Männer sind nicht IN die Kirche marschiert, sondern standen VOR der Kirche und haben eine Zigarre „geplotzt“, die Zigarren haben sie sich einzeln bei uns geholt. Meine Mutter Liesel hat den Laden Sonntags aufgemacht (war ein junges Mädel, ca. 15/16 Jahre alt, Ende der 1920er Jahre) und hat den Herrschaften ihre Zigarren verkauft , die standen dann vor der Kirche und haben geraucht, und wenn es „Wandlung geläutet hat“, konnte Liesel den Laden zuschließen.

Meine Tante Gertrud heiratete Anfang der 1930er Jahre, und wohnte mit ihrem Mann in Stuttgart. Wenige Jahre später ließ sie sich dann aber wieder scheiden, kam zurück nach Maikammer und war dann im Laden hier präsent und half den Eltern bis sie das zweite Mal heiratete, das war Ende 1944.

Im Hof war an der Seite eine Veranda, darunter war die Werkstatt meines Opas. Nach dem Krieg hat meine Mutter Liesel Leonhardt dort eine Waschküche angefangen und die kam dort rein. Die hat sie einige Jahre betrieben neben dem Geschäft. Meine Mutter hat viel arbeiten müssen. Wenn man den Hof geradeaus reinging, war hinten eine Scheuer. Die ist später, nachdem das Haus verkauft war, aber zusammengebrochen. Reinhard Schneider, der nachfolgende Besitzer baute dort dann eine Garage.

Soweit mir bekannt ist, hatten die Großeltern eine Lebensversicherung und die sollte für ihr Alter sein. Nach dem Krieg kam aber die Währungsreform und hat die Versicherung „kaputt gemacht“. Dann „standen sie da“ und nichts ist mehr übrig geblieben. Sie hatten auch niemand anderen für den Laden, also war klar, die Tochter „Liesel“ muss zurück kommen. Hedi, die Jüngste, wäre körperlich nicht in der Lage gewesen, im Geschäft zu arbeiten und Gertrud ist 1945 mit ihrem 2. Ehemann Rudi Messerschmidt nach Köln weggezogen. Also blieb nur meine Mutter Liesel übrig. Curt lebte in Amerika und hatte nach dem Krieg keine Absichten, heim zu kommen. Meine Mutter, seit Ende 1944 verwitwet, lebte zu dem Zeitpunkt mit mir in Stuttgart und arbeitete bei der Firma Bosch, wir hatten eine Wohnung und alles, aber meine Oma rief sie zu sich zur Mithilfe, nachdem Gertrud nach Köln gezogen war. Liesel gab also ihre Arbeit in Stuttgart auf, kam nach Maikammer und hat den Laden übernommen. Meine Mutter hat dann den Laden geführt bis zum Schluß.“

Nach 5 Jahren Witwendasein heiratete Liesel Leonhardt (verwitwete Warth) 1949 ein zweites Mal, den Kaufmann Konrad Goede. Er stammte aus Königsberg und kam kriegsbedingt nach Stuttgart wo sie sich kennenlernten. Mit ihm führte Liesel Leonhardt den Laden weiter. Bei der Hochzeit war Liesels Tochter aus 1. Ehe Helga Warth (verheiratete Fell) 7 Jahre alt.

Ca.1950, Weinstraße Nord 11, ganz rechts Carl Leonhardt. Dritte von links seine Tochter Anna Elisabeth „Liesel“ und 3.v.r. ihr Ehemann Konrad Goede.
Vorne stehend Carl’s Enkelin u. Liesel’s Tochter (aus 1.Ehe): Helga Warth.

Der Gründer des Ladens, Carl Leonhardt wurde 77 Jahre alt und starb 1953, seine Frau Anna starb 1956, sie wurde 71 Jahre alt. Enkelin Helga Fell: „Meine Mutter hat das Haus nach dem Tod der Mutter geerbt und musste ihre Geschwister ausbezahlen. 1968 starb mein Stiefvater Hr. Goede, er wurde nur 60 Jahre alt. Als meine Mutter den Laden dann alleine betrieben hat, war es zu viel für sie, aber um noch jemand hinzuzunehmen, hätten die Einnahmen nicht gereicht. Ich wohnte schon in Maxdorf und arbeitet in Ludwigshafen, ich war nicht motorisiert und die Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmittel nach Maikammer schlecht. Ich hätte ihr also nicht helfen können. Etwa um 1971/72 hat meine Mutter den Laden dann vermietet. Die Mieter des Ladens wohnten auch im Haus, allerdings nur 3-4 Jahre.

Liesel Leonhardt wohnte ab 1971/72 in Bad Dürkheim. Sie war motorisiert und hatte einen VW-Käfer. Sie ist dann immer zwischen Bad Dürkheim und Maikammer hin- und hergefahren und hat geschaut, was am Haus zu machen war. Das war immer aufwendig, vor allem wenn sie über diese Distanz Handwerker suchen musste um Kleinigkeiten reparieren zu lassen. Meinem Mann wollte sie das nicht zumuten, weil wir hier in Maxdorf ein Haus hatten und er berufstätig war. Daher fiel dann der Entschluss, das Haus zu verkaufen. Es wurde an die Familie Schneider verkauft (5.5.1977, laut Firmengeschichte von R. Schneider). Die Mutter von Reinhard Schneider hat darin ein Handarbeitsgeschäft aufgemacht. (23.1.1978, laut Firmengeschichte von R. Schneider) Und die Familie ist auch in das Haus eingezogen, sie wohnten da, wo zuvor meine Mutter ihre Wohnung hatte. Oben war noch eine Wohnung, die vermietet war. Reinhard Schneider hat das Haus dann wieder verkauft, ich weiß aber nicht an wen. „(2003 vermietet an Versicherungsbüro Thomas Herrmann, laut Firmengeschichte von R. Schneider).“ 2023 befindet sich in dem Haus eine Heilpädagogische Praxis mit Schwerpunkt für Autismus.

Fotos: Club Sellemols, (z. Verfügung gestellt von Helga Fell, Enkelin von Carl Leonhardt)