Anna Elisabeth Leonhardt
Heike Scholhölter, 2024.
Anna Elisabeth „Liesel“ Leonhardt (OFB <3663>) wurde am 02.12.1914 in Maikammer in der Weinstraße Nord 11 geboren und starb mit 94 Jahren am 22.02.2009 in Maxdorf. Ihre Eltern waren Carl Leonhardt aus Maikammer und Anna Maria Hörner aus Hambach. Liesel hatte drei Geschwister: den 9 Jahre älteren Bruder Curt, die 3 Jahre ältere Schwester Gertrud, und die 9 Jahre jüngere Schwester Hedwig „Hedi“. Liesel war zweimal verheiratet: am 19.10.1935 heiratet sie den Elektriker Arthur Warth, geb.1913 in Stuttgart-Untertürkheim. Er war der Bruder von Otto Warth, mit dem Anna Elisabeth’s Schwester Gertrud in 1. Ehe verheiratet war. Die gemeinsame Tochter von Liesel und Arthur Warth, Helga Warth wurde 1941 geboren. Die Familie lebte in Stuttgart-Heumaden. Arthur starb im Dez. 1944 im Krieg. Liesel heiratet zum zweiten mal am 25.05.1949 in Maikammer den Kaufmann Konrad Goede, er war 1908 in Königsberg geboren und starb 1968 in Heidelberg. Mit ihm zusammen führte sie das Geschäft in Maikammer nach dem Tod ihres Vaters Carl Leonhardt weiter.
Liesel’s Tochter Helga Fell geb. Warth, 82 Jahre alt, erzählte 2023 über das Leben ihrer Mutter im Interview mit Heike Scholhölter vom Club Sellemols:
„Meine Mutter war nach ihrer Schulzeit in Maikammer in Edenkoben auf der Realschule. Sie durfte aber die Schule dort nicht fertig machen, weil Vater Carl Leonhardt ihr sagte, sie wird zu Hause gebraucht und muss heimkommen. Ich weiß von meiner Mutter: In Breitenstein, da haben die Kinder im Speyerbach schwimmen gelernt. Sie sind Sonntags von Maikammer über den Totenkopf bis runter nach Breitenstein gelaufen. Der Laden ihres Vaters war aber sonntagmorgens immer geöffnet, denn die Männer sind nicht IN die Kirche marschiert, sondern standen VOR der Kirche und haben eine Zigarre geplotzt. Die Zigarren haben sie sich zuvor einzeln bei uns geholt. Vater Carl mit seiner Frau und jüngsten Tochter Hedwig sind nach Breitenstein gelaufen, meine Mutter Liesel hat den Laden aufgemacht (sie war damals ein junges Mädel, ca 15/16 Jahre alt) und hat den Herrschaften ihre Zigarre verkauft. Die standen vor der Kirche und haben geraucht, und wenn es „Wandlung geläutet hat“, hat Liesel den Laden zuschließen können. Dann hat sie „die Beine in die Hand genommen“ und ist ihrer Familie hinterher gerannt, an den Bach nach Breitenstein.
Ein junger Mann namens Ernst Schlindwein, er war Apotheker aus Landau, hat meine Mutter „gern gesehen“ und hat ihr eine kleine ovale goldene Dose mit den Initialen „LL“ geschenkt. Dazu gibt es eine schöne Einladungskarte „Abituria der Oberrealschule Landau“ von 1931 mit der „Einladung zum Couleurball im großen Saal der Festhalle Landau“.
Liesel hat früher immer Turnstunde gehalten, bevor sie durch ihre Hochzeit nach Stuttgart gegangen ist. Das hat sie auch weitergeführt, nachdem sie später wieder nach Maikammer zurückkam. Eine Frau Bender hatte die Turnstunde weitergeführt und meine Mutter wollte sich dann nicht mehr „da rein drängen“. Meine Mutter heiratete 1935 in 1.Ehe meinen Vater Arthur Warth. Meine Großmutter hatte insgesamt vier Buben bekommen, mein Vater war der Jüngste, seine Mutter hat ihm immer Kleidchen angezogen als er klein war, weil sie wohl unbedingt ein Mädchen haben wollte! Mein Vater stammt aus Stuttgart Untertürkheim. Nach der Hochzeit meiner Eltern lebten wir in Stuttgart-Heumaden. Meine Mutter arbeitete bei der Firma Bosch. Ich bin im September 1941 geboren. Nachdem mein Vater Ende 1944 im Krieg gefallen war, und meine Tante Gertrud, die ältere Schwester meiner Mutter, Ende 1944 geheiratet hatte u. nach Köln gegangen war, aber ohne ihre Hilfe meine Großeltern den Laden in Maikammer nicht mehr allein betreiben konnten, ist meine Mutter zurück beordert worden: „Liesel, du musst heimkommen, du musst den Laden machen, die Gertrud geht nach Köln.“ Ich wurde aber zuerst in Stuttgart /Heumaden eingeschult. Zu der Zeit hatten die Pfälzer und die Stuttgarter aber unterschiedlichen Schuljahresbeginn. Die Lehrerin Fr. Gertrud Endres in Maikammer meinte dann „ach des is so e klää Mädche, gucken se mol, dere fehlt dann jo a ganzes halbes Johr, die losse mer noch springe, dass’re dann nix fehlt!“ Und so bin ich dann in Maikammer nochmal eingeschult worden.
Am Vorplatz zum Geschäft meines Großvaters Carl Leonhardt, waren Schaukästen (sind 2024 am Haus Weinstraße Nord 11 noch vorhanden), die wurden immer passend zur Jahreszeit dekoriert, meistens hat das meine Mutter gemacht. Das Haus hatte mal die Hausnummer 67. Mein Mutter heiratete ihren zweiten Mann Konrad Goede am 25.5.1949 in Maikammer. Hr. Goede hatte ebenfalls eine Tochter aus 1. Ehe. Er stammte aus Ostpreußen. Er war im Krieg in Frankreich in Gefangenschaft geraten, ist dort abgehauen, ist nachts Richtung Schweiz gelaufen und bis nach Deutschland gekommen. So kam er nach dem Krieg nach Stuttgart und lernte dort meine Mutter kennen.“
Fr. Fell hat dem Club Sellemols zahlreiche Fotoalben ihrer Mutter zur Digitalisierung zur Verfügung gestellt. Daraus ist ersichtlich, dass Liesel Leonhardt sehr sportlich und im Turnverein1847 Maikammer aktiv war. Im Rahmen dessen nahm sie z.B. auch am 15. Deutschen Turnfest im Juli 1933 in Stuttgart mit weiteren Turnern aus Maikammer teil.
Im „Historischen Sitzungsbuch des TV 1847 Maikammer-Alsterweiler“ S. 453 heißt es hierzu: „Der Turnverein 1847 war bei dem 15. Deutschen Turnfest in Stuttgart mit einer Vereinsriege von 13 Mann unter Leitung von Oberturnwart Kurt Baumann vertreten und konnte sich beim Kreisturnen der Vereine, die Note „Hervorragend“ erringen. Ferner wirkten als Einzelwettturner, unsere altbewährten Kämpfer Konrad Cuidon, Friedel Wilhelm mit, und konnten folgende Siege für sich buchen: Konrad Cuidon im 5Kampf der Altersklasse II. den 19.Sieg, Friedel Wilhelm im Fünfkampf der aktiven Altersklasse I. den 18.Sieg im Weitsprung den 3. Sieg. Bei der Rückkehr von Stuttgart wurden die Sieger am Bahnhofe, von den Vereinsmitgliedern empfangen und unter Vorantritt des Spielmannszuges zur Turnhalle geleitet, wo am Abend eine Sieger-Ehrung, bei der ein großer Teil der hiesigen Bevölkerung erschienen war, stattfand.“
Aus ihrer Schulzeit in Edenkoben gibt es schöne Fotos aus den 1920er Jahren: die Schülerinnen verkleidet für einen Sommertagszug und bei einem Schulausflug 1928 an den Rhein mit Aufenthalt in der damals ganz neu erbauten Jugendherberge auf der Loreley, eine Fahrt mit dem Schiff auf dem Rhein stand dabei auch auf dem Programm. Herrliche Einblicke in die damalige Zeit, auch bezüglich Mode und Frisuren!
Liesel Leonhardt war auch in jungen Jahren schon Mitglied in der Trachtengruppe Maikammer. Durch ihre vorbildlich angelegten Fotoalben inklusive Beschriftung konnte der Club Sellemols u.a. auch auf die Spur der Dreharbeiten zu dem Film „Der Jäger aus Kurpfalz“ im Jahre 1933 kommen, die in Neustadt u. Umgebung und auch in Maikammer stattfanden. Die Trachtengruppe und somit auch Liesel waren Teil der „Comparsen“ zu dem Film, Szenen müssen u.a. vor dem Wahrzeichen von Maikammer, St. Martiner Str. 10, sowie vor dem Gasthaus „Zum Schaf“ gedreht worden sein. Fotos die dies belegen tauchen z.B. in dem zugehörigen Filmheft sowie in einem Werbeprospekt für die Pfalz (oder Neustadt) auf. Einige Frauen der Trachtengruppe Maikammer bekamen mit weiteren Fotos dieses Ereignisses auch 50 Jahre später nochmal einen Platz in dem Buch aus dem Jahr 1984 von Dr. Hans Blinn: „Links und rechts der Deutschen Weinstrasse – Photographierte Vergangenheit. Band I. Von Schweigen bis Neustadt / Weinstr.“ (Seite 219).
Ebenfalls als junges Mädchen war Liesel Leonhardt gerne mit den Wandervögeln des Pfälzer Waldvereins Maikammer unterwegs. Ihr Vater Carl Leonhardt hat sich vermutlich schon bald nach Gründung des Vereins den Wanderern angeschlossen, erste Fotos mit ihm tauchen 1907 auf, er nahm dabei auch gerne seine Familie mit und es ist anzunehmen, dass so auch Liesel die Liebe zur Natur sowie zum Wandern frühzeitig für sich entdeckte. Auch später war sie mit ihren Geschwistern und ihren Familien zu zahlreichen nahen und fernen Ausflugszielen unterwegs. Mit ihrem Bruder Curt hat sie 19-jährig, 1934 eine Radtour über Worms und Darmstadt bis Hanau und weiter bis Bad Hersfeld von Jugendherberge zu Jugendherberge unternommen, als Curt zwischen seinen zwei Ausreisen nach Amerika noch einmal für einige Zeit in Deutschland weilte (Postkarten, die beide an die Eltern in Maikammer geschrieben haben, sind hier zu lesen.). Reiselustig scheint Liesel auch gewesen zu sein. Vor dem Krieg konnten sie und ihr Mann Arthur auch einmal Genua und Venedig in Italien besuchen, später mit ihrem 2. Mann Konrad waren es hauptsächlich der Schwarzwald sowie der Odenwald und die nähere Umgebung, wo Urlaube verbracht wurden. Auch die Schwester Gertrud und ihre Familie in Köln wurden besucht und diese kam mit ihrer Familie natürlich auch oft nach Maikammer.
Die Fotoalben zeugen von einem geselligen Leben, Theateraufführungen im Gasthaus „Zum Schaf“ wurden besucht, zu Freunden oder Familienangehörigen aus Stuttgarter Zeiten fuhr Liesel Leonhardt mit ihrer Familie hin oder diese kamen nach Maikammer, ebenso mit den zahlreichen Verwandten mütterlicherseits vom Weingut Hörner in Hambach stand sie in gutem Kontakt. Oder zu Hause gab es fröhliche Runden bei Geburtstagsfeiern oder auch zu Silvester. Spaziergänge führten in die nahe und weitere Umgebung von Maikammer und natürlich auf „den Berg“ (Wetterkreuzberg) dort hatte die Familie ein Grundstück mit Schutzhütte. Auch dort wurde gemütlich beisammen gesessen.
Trotzdem hatte Liesel laut Tochter Helga auch ein arbeitsreiches Leben, musste schon früh mit anpacken und Verantwortung übernehmen, das beweisen die Erzählungen ihrer Tochter, dass sie die Realschule nicht beenden durfte und das sonntägliche Zigarrenverkaufen als 15jährige. Tochter Helga: „Als Witwe lebte sie Ende 1944 mit mir in Stuttgart und arbeitete bei der Firma Bosch, aber meine Oma in Maikammer rief sie zu sich zur Mithilfe, nachdem Gertrud nach Köln gezogen war. Liesel gab also ihre Arbeit in Stuttgart auf, kam nach Maikammer und hat den Laden übernommen und ihn geführt bis zu seiner Schließung. Nach dem Krieg hat meine Mutter im Hof in der Weinstraße Nord 11 noch eine Waschküche angefangen, die hat sie einige Jahre betrieben neben dem Geschäft. Sie hat viel arbeiten müssen. Nach der Hochzeit 1949 mit Konrad Goede hatte sie durch ihn Hilfe im Geschäft. Mein Großvater Carl starb 1953 und meine Großmutter Anna 1956. Meine Mutter hat das Haus nach dem Tod der Mutter geerbt und musste ihre Geschwister ausbezahlen. 1968 starb auch mein Stiefvater Hr. Goede, er wurde nur 60 Jahre alt. Als meine Mutter den Laden dann alleine betrieben hat, war es zu viel für sie, aber um noch jemand hinzuzunehmen, hätten die Einnahmen nicht gereicht. Ich wohnte schon in Maxdorf und arbeitet in Ludwigshafen, ich war nicht motorisiert und die Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmittel nach Maikammer schlecht. Ich hätte ihr also nicht helfen können. Etwa um 1971/72 hat meine Mutter den Laden dann vermietet. Sie wohnte ab 1971/72 in Bad Dürkheim. Sie war motorisiert und hatte einen VW-Käfer. Sie ist oft zwischen Bad Dürkheim und Maikammer hin- und hergefahren und hat geschaut, was am Haus zu machen war. Das war sehr aufwendig, vor allem wenn sie über diese Distanz Handwerker suchen musste, um Kleinigkeiten reparieren zu lassen. Meinem Mann wollte sie das nicht zumuten, weil wir hier in Maxdorf ein Haus hatten und er berufstätig war. Daher fiel dann der Entschluss, das Haus zu verkaufen.“
Anna Elisabeth „Liesel“ Leonhardt starb 2009 im hohen Alter von 94 Jahren in Maxdorf. Es ist wunderbar, dass sie so viel Bildmaterial von sellemols bewahrte, ausführlich beschriftet hat und uns so ein Fenster in die Vergangenheit beschert!
Ein großes Dankeschön vom Club Sellemols an ihre Tochter Helga Fell, die gerne von ihrer Mutter und der Familie erzählte und diese zahlreichen Fotos zur Verfügung stellte!
Fotos: Club Sellemols, 2023 z. Verfügung gestellt von Helga Fell geb. Warth, Tochter von Anna Elisabeth Leonhardt.