Marktstraße 3
Zerstörung des Hauses durch den Bombenangriff vom 17. März 1945
Heike Scholhölter, zusammengestellt im März 2025.

Rund acht Wochen vor Kriegsende, am Samstag den 17. März 1945, griffen amerikanische Jagdbomber Maikammer an. Zwei Menschen starben: der 22-jährige Helmut Schreieck und der 46-jährige Josef Seiberth. Zahlreiche Gebäude im Ortszentrum wurden beschädigt bzw. zerstört. Schriftliche Unterlagen, die von dem Angriff berichten, sind rar. Keinerlei Niederschlag fand das Unheil in der „NSZ Westmark“, in der aus Propagandagründen auch die Bombardierung anderer pfälzischer Städte und Dörfer verschwiegen wurde.



Frau Antonie Wilhelm, die damals 18 Jahre alt war, berichtet 2005 folgendes: „Der 17. März war ein Samstag. Ich war in der Kirche zur Beichte für den Josefstag am folgenden Montag. Es waren recht viele Leute in der Kirche. Von auswärts waren extra Priester gekommen, um zusammen mit dem Pfarrer und dem Kaplan den Maikammerern die Beichte abzunehmen. Schon am Tag zuvor sind immer wieder Flieger über Maikammer geflogen und haben mit Bordwaffen auf die Leute im Feld geschossen. Plötzlich hat es Erschütterungen gegeben. Ich bin gleich nach Hause gelaufen. Irgendwie waren die Leut‘ verstört. Ich hab zum Beispiel gar nicht gewusst, dass auch das Haus von der Tante meines Mannes, der Tante Anna, getroffen worden war. Mein Vater und die Nachbarsleute haben gesagt, vermutlich wurde Maikammer angegriffen weil angeblich ein General im „Ochsen“ einquartiert war.“
Ebenfalls in der katholischen Kirche war zum Zeitpunkt des Angriffs die 14-jährige Ellen Ziegler. 2005 erzählt sie aus ihren Erinnerungen: „1945 habe ich in der Hindenburgstraße, heute Bahnhofstraße, gegenüber der Post gewohnt. Oben dran, bei Zieglers, dem großen Weingut, war ein Landjahrmädel, das so alt war wie ich. Wir zwei sind am 17. März in die Kirche gegangen, weil großer Beichttag war. Wir sind rein in die Kirche und haben einen Platz zum Hinknien gesucht. Auf einmal hat man gehört, dass Flieger drüber sind. Herr Pfarrer Eichenlaub ist aus der Sakristei oder einem Beichtstuhl gekommen, hat die Arme in die Höhe gemacht und gerufen: „Ihr Leut‘, bleibt hin, bleibt hin! Geht net raus. Geht unter den Turml“ Das haben wir halt gemacht und waren unter dem Turm gestanden. Wir haben dann gewartet, dass es ruhiger wird. Jedes wollt ja heim. Da hat man net mehr ans Beichte gedenkt. Ich bin aber nicht gleich nach Hause gegangen, sondern erst zu meiner Freundin Liesel, wo früher die Tankstelle Platz war. Da war aber niemand, und deshalb bin ich nebendran zu Heners gegangen. Die hatten ein Lebensmittelgeschäft gehabt. Sie haben im Keller auf Kartons gesessen und den Rosenkranz gebetet, damit nichts passiert.“

Die meisten erwachsenen Männer waren im Frühjahr 1945 noch an der Front oder in Kriegsgefangenschaft. Einer der wenigen Männer, der am 17. März in Maikammer war und 2005 dazu noch einiges berichten konnte, war Richard Wittmer: „Ich war am Bein verwundet und habe einen 14- tägigen Genesungsurlaub bekommen. Schon früh morgens war Fliegeralarm. Die Jabos [ =Jagdbomber) sind am Haardtrand entlang geflogen. Plötzlich sind sie abgedreht und um die Kalmit herum geflogen. Als wir merkten, dass sie Maikammer angreifen würden, sind wir, das waren meine Mutter, ein Junge aus der Nachbarschaft und ich, schnell in den Keller gegangen und haben Schutz gesucht. Als alles vorbei war, sind wir in die Ortsmitte gelaufen und haben das ganze Ausmaß der Bombardierung gesehen. Zum Beispiel war zwischen dem Hartmanndenkmal und dem „Ochsen“ ein großer Bombentrichter. Noch heute kann man am Hartmanndenkmal die Auswirkungen der Bombe sehen.“


Marktplatz mit altem Rathaus (links) und Gasthaus „Zum goldenen Ochsen“ (rechts) nach dem Bombenangriff am 17.März 1945. Diese Fotos wurden vom damaligen Arzt Dr. Philipp Rieder heimlich aufgenommen.



Margarethe Braun, Jahrgang 1927 berichtete 2005 als Zeitzeugin folgendes zu diesem Tag: „Beim Angriff war ich allein zu Haus‘, in meinem Elternhaus in der Marktstraße 14 im Hinterhaus. Ich befand mich allein in der Küche. Plötzlich fing es an zu zittern in unserem Haus. Es musste die erste Bombe gefallen sein. Und dann ging die Schießerei los. Ganz wild wurde geschossen. Unsere Küche hat Oberlicht gehabt. Und da habe ich noch gedacht: „Ach Gott, wenn die da rein schießen!“. Ich habe mich dann in eine Ecke geflüchtet. Nach dem Angriff habe ich noch fünf Minuten gewartet und bin dann raus vor’s Hoftor. Da hab‘ ich gesehen, dass das Haus der Anna Müller zusammengebombt war. Es war Totenstille auf der Straße.“
Links: Anna Müller vor dem Hoftor in der Marktstraße 3, vor der Zerstörung des Hauses.
Manfred Ullrich, Jahrgang 1939, hielt seine Erinnerungen zu dem Tag schriftlich fest und stellte sie dem Club Sellemols 2024 zur Verfügung: „Wenige Tage vor Beendigung des Kriegs in der Pfalz, am 17. 3. 1945, wurde das Wohnhaus und landwirtschaftliche Anwesen von Karl Wilhelm in der oberen Marktstraße bei einem Flieger-Angriff von einer Sprengbombe getroffen und stark zerstört. Etwas geringere Schäden gab es auch in der unmittelbaren Nachbarschaft, am Gasthof „Zum Ochsen“, am damaligen Rathaus und am Hartmann-Denkmal. Karl Wilhelms einzige Kuh überlebte, aber sein Acker-Pferd erlitt durch den heftigen Explosionsdruck einen Lungenriss und war tot. Die Kunde hierüber verbreitete sich schnell übers ganze Dorf und fand besonders bei allen französischen Kriegsgefangenen im Ort großes Interesse. Auch unser Franzose namens Wenzel machte sich, mit einem Messer ausgerüstet, auf den Weg und kehrte mit einem größeren, aus dem Pferdekörper herausgeschnittenen „Filet-Stück“ zurück. Er hat sich dieses, damals noch auf einem alten Holzofen-Herd in der Küche, unter den misstrauischen Blicken meiner Oma angebraten. Dann hat Wenzel auch mir ein Stück davon abgegeben, welches ich offenbar mit viel Genuss gegessen habe. Die Oma war auf jeden Fall über die Tatsache, dass ihr Enkel Pferdefleisch verzehrte, geradezu erschüttert und schüttelte sich vor Ekel. Ihr an sich gutes Verhältnis zu unserem Gefangenen, der mich zu dieser „Sünde“ verführt hatte, war leicht getrübt, hat sich aber schnell wieder gebessert.“


Kuno Bachtler, Dr. Andreas Imhoff, Dr. Thea Rieder. Geiger-Verlag, 2004.

Fotos: Club Sellemols.
Zeitzeugenberichte von 2005 aus dem Nachrichtenblatt Maikammer 09 u. 10/2005 S. 27 + S. 26.
Zum weiterlesen: Kriegsende in der Pfalz.